Das Pageou ist auf den ersten Blick ein heller, offener Raum, in dem Schwarz-Weiß-Kontraste dominieren und die Kombination von klassischen Freischwingern mit weiß eingedeckten Tischen Zeitlosigkeit, Klasse und Wertigkeit vermittelt. Eigentlich ist das Restaurant jedoch ein sinnlicher Ort, der die Persönlichkeit und Geschichte seines Gastgebers widerspiegelt: Gutes Handwerk in Holz, Leder und schönen Stoffen trifft auf klare Formen. Ali Güngörmüş ist ein Purist, auch in seiner Küche. Diese ist geprägt von der Klarheit und hohen Qualität der Zutaten. Dennoch sollte das Pageou, das nach dem ostanatolischen Dorf benannt ist, in dem Ali Güngörmüş geboren wurde, natürlich auch seine Wurzeln zitieren. In meinem gestalterischen Konzept finden sich deshalb teilweise auch verspielte Anleihen beim Art déco, weil diese Epoche ganz stark von osmanischen Ornamenten geprägt war. Das Art déco bediente sich gern dieser osmanischen Einflüsse und orientalisch angehauchten Muster. Diese Verspieltheit, die man etwa bei den extra angefertigten Leuchten mit Quasten über der Bar oder bei den textilen Lampenschirmen auf den Fensterbänken findet, zeichnet sich durch viele raffinierte Details aus. So wirkt das Dekor nicht überladen, sondern kreiert einen atmosphärischen Kontrast zu dem fast 4,50 Meter hohen, beinahe hallenartigen Raum mit seinen weißen Wandflächen.
Durch seine ästhetische Reduktion und Klarheit in Kombination mit dem luftigen Geflecht passt sich der Stuhlklassiker S 64 V von Thonet perfekt in den Gastraum ein. Die Ausführung Buche schwarz gebeizt harmoniert perfekt mit dem Schwarz-Weiß-Thema, das der Raumgestaltung zugrunde liegt: dem schwarz gebeizten Eichenparkettboden und den weißen Wänden. Zudem ist der visuelle Eindruck von klassischen Thonet-Stühlen zu weißen Tischdecken dem Gast auf den ersten Blick vertraut – da ist sofort eine Assoziation mit Kaffeehauskultur und gehobener Gastlichkeit. Der ikonische Freischwinger hat sich als der perfekte Stuhl für dieses Restaurant erwiesen: Darauf kann man endlos lange sitzen, er ist super bequem, sieht in diesem Kontext perfekt aus und passt zur Art déco-Thematik, weil der Stuhlentwurf exakt aus dieser Zeit stammt. Die ganze Architektur des Stuhls passt perfekt in den Raum ‒ Treffer versenkt, sozusagen (lacht).
Zunächst einmal vermittelt die Wertigkeit der Einrichtung die hohe Qualität der Küche. Das Pageou ist momentan das einzige Restaurant, das Ali Güngörmüş betreibt. Es ist seine Herzensangelegenheit und er will es betreiben, solange er kocht. Also haben wir es als ein Projekt gestaltet, das Moden überdauern wird, und nicht als Gastronomie-Konzept, das für wenige Jahre hip ist. Die ikonischen Armlehnstühle hat Ali in seinen Jahren in Hamburg zu schätzen gelernt, als er Inhaber des Restaurants Le Canard Nouveau war. Für den Speiseraum hatte Architekt Meinhard von Gerkan sie geordert. Ali liebt diese Freischwinger mit Rohrgeflecht und Kunststoffstützgewebe, weil sie qualitativ hochwertig, auch bei dauerhafter Nutzung im Gastronomie-Kontext robust, zeitlos schön und bequem sind – und ihn sein Leben lang begleiten werden. Da musste ich also gar keine Überzeugungsarbeit leisten.
Der gemeinsame Nenner ist, dass es keinen gemeinsamen Nenner gibt (lacht). Im Gegenteil: Mein Anspruch bei jedem einzelnen Projekt ist es, eine Raumgestaltung zu schaffen, die wie ein Maßanzug zum jeweiligen Auftraggeber passt. Diese Gestaltung ist nicht wiederholbar. Deshalb gibt es nie zwei ähnliche Projekte oder gar einen eigenen „Nora Witzigmann“-Stil.